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Rudolf Ritter

Rudolf Ritter

*14. Mai 1881 in Cronenberg, Rheinland  –  16. August 1915  in Grubyzcow, Polen, war ein deutscher Maler und Graphiker. Im bergischen Land galt er zu seinen Lebzeiten als vielversprechender Maler des deutschen Expressionismus.

Inhaltsverzeichnis

1. Kindheit, Jugend und Studium

2. Das künstlerische Werden

3. Tod

4. Wahrnehmung in der Öffentlichkeit

5. Zeitdokumente

6. Posthume Ausstellungen   

1. Kindheit, Jugend und Studium

Rudolf Ritter wurde am 14. Mai 1881 auf der Höhe von Cronenberg, Rheinland (heute Wuppertal Cronenberg) geboren. Die frühesten Jugenderinnerungen knüpfen sich an Wald, Wiese und Bach. ln seinem 8. Lebensjahre starb Ritters Vater nach nur kurzer Krankheit. Die Mutter war genötigt, sich im Industrie reicheren Elberfeld niederzulassen. Das Wohnen in der Großstadt, somit das Getrenntsein von der freien Natur ist von dem Buben hart empfunden worden, und gar oftmals hat ihn stilles Sehnen ergriffen nach Luft, Sonne und Waldesstille. Während der ersten Schuljahre zeigte sich schon die künstlerische Begabung, insbesondere im Zeichnen. In dieser Zeit verheiratete sich seine Mutter wieder, und es war dann für die Eltern des jungen Ritter das Gegebene, den Sohn einem Zeichenberuf zuzuführen, und so lernte er als Bautechniker. Seine Neigung zog ihn allerdings zur Malerei, und es entsprach einem Herzenswunsch, als es dem jungen Menschen Ritter durch Gönnerschaft, die seine Begabung erkannt hatte, ermöglicht wurde, die Kunstgewerbeschule zu besuchen und sich für den Malerberuf vorzubereiten. ln diesen Jahren 1902 bis 1905 ist eine große Anzahl von Landschaftszeichnungen, sowie von Zeichnungen und Skizzen malerisch wirkender, Schiefer beschlagener bergischer Häuser, entstanden.

Viele Bewohner des alten Island in Elberfeld haben den jungen Maler dabei gesehen, wie er bald von dieser, bald von jener Ecke aus, seine Motive skizzierte oder malte.  So wurde man auf den fleißigen angehenden Maler aufmerksam. Damals wurden 10 Ansichts-Postkarten von Alt-Elberfeld nach Originalmotiven von R. Ritter vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz herausgegeben. Der Elberfelder Museumsverein förderte den Einundzwanzigjährigen und schoss die Mittel vor, die Malerakademien in Karlsruhe und München zu besuchen. Er war Schüler von M. Bernuth, Trübner, Schmidt-Reutte in Karlsruhe und Meisterschüler von Stuck in München. Er stand in Verbindung zu den Malern des Blauen Reiters. Ein Studienaufenthalt in Italien von 1910 bis 1912 schloss sich an.

2. Das künstlerische Werden

In der Zeit von 1912 bis 1915 hat der Künstler seine reifsten Werke geschaffen.

Der Nachruf zu seinem Tode in der Zeitung „Täglicher Anzeiger“, Elberfeld“, vom 1. 4. 1919 gibt eine treffende zeitgenössische Charakteristik zu seinem künstlerischen Werdegang:

„Rudolf Ritter - Kunst und Wissen Mit Rudolf Ritter hat einer der Besten in Elberfeld seine Liebe zum Vaterland und zu den Menschen mit dem Tode besiegelt. Er ist sich treu geblieben bis zum letzten Atemzuge – die Berichte der Kameraden lassen es erkennen – und wer ihn näher gekannt, hatte es nicht anders erwartet.

   Über den Künstler wird die Nachwelt einst urteilen. Heute wissen wir nur: Das Ziel war nicht erreicht. Denn der unbeugsame Wille und der heilige Ernst, die ihn beseelten und die ihn immer von neuem wieder den Kampf aufnehmen ließen, trotz aller widrigen Verhältnisse, die sich ihm entgegenstellten, die ständig seine Kraft zu lähmen drohten, haben ihn nicht zu der Vollendung führen können, der er zustrebte. Was zurückblieb sind kostbare Ansätze zu höchsten Äußerungen, sind Einblicke in eine fast überreich gestaltende Phantasie, in ein tiefes und unablässiges Geistesleben, getragen von hoher und edler Gesinnung. Mit kühner Hand und mit einem herzerfrischenden Mut hat er nach den höchsten Zielen der Kunst gegriffen, die ihm mehr als eine unterhaltsame Spielerei war, die ihm Weltanschauung dünkte, wie seinem großen Landsmann Hans von Mareé, dem er eifrig nachstrebte. Es war ein schweres, manchmal fast erschütterndes Ringen, das sich in den stillen Räumen seines Ateliers abspielte, ein Ringen wie Jakob mit dem Engel: „Ich lasse dich nicht, es sei denn, du segnest mich.“ Wie manches Mal hat die Hand bei der Ausführung versagt und den Ausdruck für die Tiefe und Größe der Empfindung verweigert. Dann kamen Zeiten starker Niedergeschlagenheit, in denen es sich wie eine Dämmerung über ihn breitete, bis dann plötzlich so etwas wie ein fröhliches Gottvertrauen, einem hellen Licht vergleichbar, hineinleuchtete: „Es wird schon etwas werden.“

  Wie hat er nachgedacht und gegrübelt über das, was würdig sein sollte, Kunst zu heißen. Auszüge aus seinem Tagebuch, die ich der Öffentlichkeit übergebe, mögen auch denen, die ihm fern gestanden haben, einen Eindruck gewähren in seine klare, scharfe, tiefe und doch so einfache Gedankenarbeit. Trotzdem ist der Vorwurf einer zu verstandesmäßigen Gestaltung seiner Kunst übel angebracht, denn dieser wägende und berechnende Verstand war nur ein Damm, der ein überreich quellendes Gefühlsleben in das richtige Strombett leiten musste.

  Eine Art von Pantheismus ist seine Weltanschauung gewesen, und überall erschien ihm die Natur durch göttliche Gesetze gegliedert und belebt, schien ihm Gott in der Welt aufzugehen. Giordano Brunos Bekenntnis: „Deus sive natura“ ist auch das seine gewesen. Hat er auch der Kirche fern gestanden – es scheint, dass er sich ihr in der letzten Zeit von anderer Seite aus wieder genähert hat – innerlich war er eine tief religiöse Natur. Er hat seine Bibel,  die ihm immer als das Buch der Bücher erschienen ist, gekannt wie einer, und, ohne im geringsten Sittenrichter sein zu wollen – nichts hat ihm ferner gelegen als das – ist er eine im hohen Maße sittlich reine Natur gewesen. Immer geneigt, die Schwächen der Menschen zu verzeihen, hat er einen ungeheuer scharfen Blick für dieselben gehabt und manches treffende Wort gutmütigen Spotts konnte man darüber aus seinem Munde vernehmen. Von schlichtester Bescheidenheit in seinem äußeren Auftreten, war er doch im Innern eine aufrechte Natur,  die auch nicht ein Jota von dem abging, was er in der Kunst für richtig hielt. Er ist kein Verräter an ihr geworden und hat sie für Silberlinge nie verkauft. Gern hat er gelebt, denn er hatte noch viel zu sagen und die Welt schien ihm wert, auf der Basis künstlerischer Gestaltung ergründet zu werden,  aber er hat sich auch das Sterben als etwas Schönes gedacht und wer aus seinen Bildern zu lesen versteht, der wird es begreifen, dass die griechische Sophrosyne und die christliche Gelassenheit Kinder der gleichen Weltanschauung sind.

  „Manier ist, wenn man die Ausdrucksweise eines anderen übernimmt und die Natur damit vergewaltigt. Das Kunstwerk muss aus der Nacht heraus entspringen. Man muss nichts in die Natur hineinsehen, sondern heraus sehen.

  Sehnsucht, stille Erhabenheit, ruhige Daseinsfreude, edles Menschentum weder von Dogmen noch Kleidern eingeengt, das soll mein Bild „Orplid“ ausdrücken.“

  Nicht Maßstab kann uns die Natur sein, sondern Lehrmeister.

  Jedes Ding, das etwas anderes scheinen will, als es ist, entäußert sich damit seines wahren Wesens und wird doch nicht das, was es scheinen will. Schein für Sein.

  Beim Schaffen eines Kunstwerkes kommt es nur darauf an, dass ein künstlerischer Organismus geschaffen werde. Es ist gleichgültig., womit das erreicht wird.

  Der Unterschied zwischen Studie und fertigem Werk liegt nicht darin, dass die Studie flüchtiger und das fertige Werk mehr ausgeführt erscheint. Das fertige Werk ist ein Organismus. Und es kann auch beim Mangel an Ausführung ein fertiger Organismus sein.

  Nicht daraus ist das Künstlerische festzustellen, ob ein Werk impressionistisch oder expressionistisch, hell oder dunkel, ob es einen Lichteindruck oder Gefühlsausdruck wiedergibt, ob es mit Linie, Farbe oder Fläche aufgebaut ist, sondern nur daraus, ob aus Licht, Farbe Linie, Fläche, oder was sonst sein mag, der Organismus geschaffen wurde. Dieser Organismus kann dem Natureindruck ähnlich sein, muss es aber nicht. Was ist überhaupt Naturwahrheit?  Ein Anatom versteht darunter etwas anderes als ein Menageriebesitzer.

  Wenn man den (literarischen) Inhalt eines Werkes erfasst hat, so hat man über das Werk nicht mehr erfahren, als etwa über die Schönheit eines Gebäudes, wenn man sich nach dem Zweck und den Bewohnern desselben erkundigt.

  Der Künstler und der künstlerisch empfindende Mensch schaut und erlebt die Schönheit in Kunst und Natur unmittelbar ohne Reflexion. Die anderen stellen immer Betrachtungen an, die meist in der Richtung ihrer Weltanschauung , ihres Berufes oder ihrer Liebhaberei liegen.

  Regeln im Sinne eines Maßstabes für das Künstlerische so etwa wie beim Wettsingen gibt es nicht, jedes Kunstwerk hat seine eigenen Regeln und Gesetze in sich, die für ein anderes Werk einfach ungültig sind, worauf es ankommt, kann nur durchs Gefühl wahrgenommen werden. Und wer es nicht fühlt, muss es glauben oder ablehnen oder auf sich beruhen lassen.“

Rudolf Ritter war also als unvollendet gebliebener Maler durch Höhen und Tiefen gegangen. Viele seiner Bilder hatten religiöse und mystische Motive zum Gegenstand und zeigten am Vorabend des 1. Weltkrieges eine dunkle düstere Farbgebung.

Die Anthroposophie stiftete ihm in seinem künstlerischen Streben Orientierung. lm Juni 1914 hatte er in Dornach das entstehende erste Goetheanum besucht. Ein Gemälde aus dem Jahre 1912 enthält auf dem Mauerwerk eines Tores zum Licht die Inschrift:„Des Lichtes wechselnd Weben erstrahlet von Mensch zu Mensch zu füllen die Welt mit Wahrheit" aus den Mysteriendramen Rudolf Steiners.

3. Tod

Anfang 1915 kam Ritter als freiwilliger Krankenpfleger ins Feld. Während des Krankendienstes an der Ostfront erkrankte er an Cholera und verstarb am 16. August 1915 in Grubyzcow, Polen.

4. Wahrnehmung in der Öffentlichkeit

1915 stand Rudolf Ritter kurz davor, über das Bergische Land hinaus ein berühmter Maler zu werden. Sein Tod hatte in Künstlerkreisen große Betroffenheit ausgelöst. Der im Folgenden wiedergegebene Zeitungsartikel zu seinem Tod  gibt ein Bild davon ab.

General-Anzeiger, Elberfeld-Barmen, 21. August 1915

Maler Rudolf Ritter †.   Eine empfindliche Lücke hat der Krieg in das Kunstleben unserer Stadt gerissen. Den ehrenvollen Tod fürs Vaterland hat der vielversprechende Maler Rudolf  R i t t e r  erlitten. Da er nicht kriegsfähig war, meldete sich der junge Künstler als freiwilliger Krankenpfleger und fand Verwendung an der Ostfront. Namentlich unter Trübner studierte Ritter, nach seiner ersten Ausbildung an der Elberfelder Kunstgewerbeschule, an der Karlsruher Akademie. Eine Studienreise nach Italien vervollständigte die malerische Ausbildung. Ein starkes Stilgefühl sprach aus allen seinen Arbeiten, von denen das hiesige Städtische Museum neben einer Anzahl Studien und Radierungen ein größeres Werk: „Die Austreibung aus dem Paradiese“, erworben hat. Als Maler ist Ritter durchaus modern und persönlich. Zugleich aber zählte er zu denjenigen Künstlern, deren malerischer Kraft ein starkes zeichnerisches Können die bedingenden Grundlagen gibt. Weiteren Kreisen ist er durch seine Bilder aus dem alten Elberfeld bekannt geworden, die zum Teil auch als Ansichtskarten erschienen sind. Die bergische Kunstgesellschaft verliert in ihm eines ihrer eifrigsten Mitglieder. Er war eine ernst angelegte, nach hohen Zielen strebende Natur, die keinerlei Zugeständnisse machte, und darum wohl auch Entbehrungen erduldete. An der Schwelle der Erfüllung mancher Hoffnungen ereilte ihn der Tod. Die zahlreichen Freunde seiner Kunst werden Rudolf Ritters, des Helden in doppeltem Sinne, stets ehrend gedenken.

Das städtische Museum Elberfeld hatte ein größeres Gemälde, „Die Vertreibung aus dem Paradies“, erworben und im Foyer aufgehängt, welches im 2. Weltkrieg bei der Bombardierung Wuppertal Elberfelds den Flammen zum Opfer fiel. Nach und nach geriet Rudolf Ritter in Vergessenheit und ist heute in der Öffentlichkeit ein gänzlich unbekannter Maler.

Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ jedoch brachte am 14. August 2015 einen Gedächtnisartikel zu seinem 100. Todestag.

6. Zeitdokumente

a) aus einem Lexikon der damaligen Zeit

Künstlerlexikon Thieme-Becker

Ritter, Rudolf, Maler, * 1881 Cronenberg (Rhld.), † 16. 8. 1915 Grubyczow (Polen), Schüler von M. Bernuth, Trübner, Schmidt-Reutte u. Stuck.

Strebte im Anschluss an Mareés nach einem monumentalen, streng gebundenen Stil. Zahlreiche Gemälde, Studien, Radier. und Zeichnungen, sowie Briefe u. Aufzeichnungen im Städt. Museum Wuppertal Elberfeld , u. a. Vertreibung aus dem Paradies (1910; im Treppenhaus), Bildnis des Dichters Fr. Storck (1909), Selbstbild. (1913), Am Meer, „Du bist Orplid, mein Land“ (1912) Charon u. a.

Lit.: C. G. Heise, Die Samml. D. Freih. Aug. von der Heydt, Elberfeld, Lpzg. o. J. (1918). – Elberfeld, hrsg. V. Stadtbaurat Koch, *1925, p. 112 (Abb.) 114

Dirksen (Museumsdirektor Elberfeld)

Vertreibung aus dem Paradies

Das Bild hing im Foyer des Museums und ist während der Bombardierung Wupprtal Elberfelds im 2. Weltkrieg den Flammen zum Opfer gefallen. (siehe die gezeigte Sammlung hier)       

b) Werke Rudolf Ritters in einer Sammlung 1918, aus einem Lexikon der damaligen Zeit

Die Sammlung des Freiherrn August von der Heidt, Elberfeld. Ausgewählte Werke der Kunst der Gegenwart.

Herausgegeben und eingeleitet von Carl Georg Heise,

Kurt Wolff Verlag, Leipzig, 1918

…..[Maler in alphabetischer Reihenfolge]

Richter, Klaus

Ritter, Rudolf

Geb. 1881 in Cronenberg, gest. 1915 als Kriegskrankenpfleger an der Ostfront. Ausgebildet auf der Kunstgewerbeschule in Elberfeld und den Akademien in Karlsruhe (Schmidt-Reutte) und München (Stuck). Studienreise nach Italien von 1910 bis 1912.

219 Junges Paar im Nachen, stehend, nach r. gewandt, 1. vorn ein

        weißer und ein schwarzer Schwan. - unten r.: Nov. 08. - Auf der

        Rückseite Aktstudie eines Jünglings.

        Pappe. 66,5 : 84

220  Blumenstilleben. Rote Ranunkeln in hoher Glasvase; grauer Grund.

        -

        Unbez.

        Leinwand.  50 :  35

Rodin, Auguste

.....[Maler in alphabetischer Reihenfolge]

c) Text zur Gedächtnisaustellung 1915, Kaiser Wilhelmmuseum

Rudolf Ritter, dem Maler der bergischen Heimat zum Gedächtnis

Austellung von Werken des Malers im

Kaiser Wilhem-Museum Elberfeld                                         

(Der Verfasser dieses Berichtes konnte von mir nicht eruiert werden, ich habe den Text leicht redigiert, Ch. Klipstein)

In diesen Wochen veranstaltet das Kaiser Wilhelm-Museum in Elberfeld eine Ausstellung von Werken des im Felde verstorbenen Malers Rudolf Ritter. Sie ist als Gedächtnisaustellung gedacht und wird deshalb des jungen Malers vielseitiges Schaffen zeigen. Von berufener Seite wird seiner gedacht werden durch Wort und Schrift und wird damit ein Führer durch die Austellung geboten und dem Besucher dadurch das Verstehen Ritter´scher Kunst erleichtert.

   Man wird in erster Linie von des Künstlers überragender Gestaltungsgabe reden, man wird ihn den Maler des Rhythmus und der Linie nennen und dabei auf seine zahlreichen figürlichen Kompositionen verweisen, die große monumente Wirkung zeigen. Ritters reifstes Können ist unstreitig in dieser Art von Bildern zu suchen.

   Doch wollte man nur diese stärkste Seite in der Kunst Rudolf Ritters suchen, so würde man ihm damit  nicht gerecht. Der Maler war so sehr bodenständiger Heimatkünstler, er wurzelte so tief in der Natur des bergischen Landes, dass man ihn schlechthin den Maler der bergischen Landschaft nennen kann. Denn das war er. Keiner von unseren heimischen Malern hat die bergische Landschaft so sehr studiert und in vielen Bildern festgehalten wie Ritter. Seine Bilder, Zeichnungen und nicht zu vergessen seine Radierungen zeugen von einem Sichversenken in die Reize und Schönheiten der Heimatnatur, die nur ein Künstler herausholen konnte, der fest in ihr verwurzelt war, wie Ritter, dessen Wiege im bergischen Land stand und der mit Ausnahme seiner Studienjahre, also die größte Zeit seines Lebens bergische Luft geatmet hat.

  Rudolf Ritter wurde am 14. Mai 1881 auf der Höhe von Cronenberg als Sohn eines Handwerkermeisters geboren. Seine Mutter entstammte einem alten bergischen Geschlecht, während sein Vater von der Wasserkante, von Bremen zugewandert war. Die frühsten Jugenderinnerungen knüpfen sich an Wald, Wiese und Bach. In seinem 8. Lebensjahre fiel der erste Schatten auf seinen Lebensweg, nach nur kurzer Krankheit starb Ritters Vater. Damit war der Familie der Ernährer genommen. Infolgedessen sah sich die Mutter genötigt, sich im industriereicheren Elberfeld niederzulassen. Das Wohnen in der Großstadt, somit das Getrenntsein von der freien Natur ist von unserem Ritter begreiflicherweise hart empfunden worden und gar oftmals hat ihn stilles Sehnen ergriffen nach Luft und Sonne und Waldesstille. Während der Schuljahre zeigte sich schon die Begabung fürs Künstlertum, sonderlich im Zeichnen. In dieser Zeit verheiratete sich seine Mutter wieder und war es somit dann für die Eltern des jungen Ritter das Gegebene, den Sohn einem Zeichenberuf zuzuführen, und so lernte Rudolf Ritter als Bautechniker. Seine Neigung zog ihn allerdings zur Malerei, und es entsprach einem Herzenswunsch, als es dem jungen Menschen Ritter durch Gönnerschaft - die die besondere Begabung Ritters richtig erkannte - ermöglicht wurde, die hiesige Kunstgewerbeschule zu besuchen und sich für den Malerberuf vorzubereiten.

  In diesen Jahren 1902 bis 1905 ist eine große Anzahl der hier gezeigten Landschaftszeichnungen entstanden, sonderlich sind es die malerisch wirkenden schieferbeschlagenen bergischen Häuser, die einzeln, in Gruppen oder in Reihen gebaut, reiche Abwechslung zeigen im Straßenbild der Stadt, die das Malerauge fesselten. So hängen beispielsweise im bergischen Geschichtsverein am Elberfelder Neumarkt mehr als 30 farbige Zeichnungen von Rudolf Ritters Hand. Auf diesen Bildern ist mancher Winkel Alt-Elberfelds zu schauen, an deren Stelle heute Großstadthäuser stehen. Nicht viele Bewohner des alten Island haben den jungen Maler übersehen, wie er bald von dieser, bald von jener Ecke aus malerische Stadtviertel skizzierte oder malte. In dieser Zeit wurden weite Kreise auf den fleißigen angehenden Maler aufmerksam. Und so fand sich der Elberfelder Museumsverein bereit, dem Einundzwanzigjährigen die Mittel vorzuschießen, die Malerakademien Karlsruhe und München zu besuchen.

  In den drei Jahren des Fernseins von der Heimat wurden die Ferienzeiten daheim verlebt, und dann verging kaum ein Tag, in dem Ritter nicht draußen in der Natur zu sehen war, skizzierend oder malend.

  An diese Jahre schloss sich dann noch ein mehrjähriger Aufenthalt in Italien an bis zum Jahre 1912. Bei aller Schönheit und Farbenglut der südlichen Natur blieb doch der deutschen Landschaft mit ihren herben stumpferen Farben Ritters besondere Liebe. Sonderlich die bergische Landschaft hat Ritter seinen Freunden gegenüber immer dann am lautesten gerühmt, wenn er ihr eine Zeitlang ferne war.

  In der Zeit von 1912 bis 1915 hat der Künstler seine reifsten Werke geschaffen.

  Anfang 1915 kam Ritter als freiwilliger Krankenpfleger ins Feld. Als solcher erlebte er den bekannten Durchbruch unter August von Mackensen am Bug im Mai 1915. -  In einem galizischen Städtchen, Radymno, bot sich ihm noch einmal Gelegenheit ein großes figürliches Wandbild zu malen. Es sollte sein letztes Werk sein, das er in vier Tagen schuf. Kurz nachher rief ihn der Krankendienst zu cholerakranken Kameraden. Doch da erkrankte er selbst an dieser tückischen Krankheit und starb nach sieben qualvollen Tagen am 16. August 1915. Seinen jungen Leib begrub man noch am selben Tag auf dem Kriegerfriedhof im Grubeschow in Polen, nahe der galizischen Grenze. Ein einfaches Holzkreuz erhebt sich über dem Erdhügel. So wurde der erst 34jährige auch ein Opfer des Weltkrieges. Wenn die zu seinen Ehren veranstaltete Gedächtnisausstellung sein vielseitiges Können gezeigt hat, kann diese Auswahl den Beweis erbringen für Ritters Heimatkunst und zugleich die Augen öffnen für die vielen Schönheiten unserer bergischen Heimat.

d) Zeitungsartikel 1936

Wuppertaler Zeitung, Sonntag, den 26. Juli 1936

Lebensbild eines bergischen Malers

Zur Austellung Rudolf Ritter im Museum

 Wuppertal-Elberfeld

Die Ausstellung Ritterscher Arbeiten im Elberfelder Museum zwingt dazu, sich wieder einmal mit einem heimischen Künstler zu befassen, der zu den besten Begabungen des Bergischen Landes gehörte, und der in unbeugsamem Ringen mit sich selbst und den Gesetzen der Kunst versuchte, als Mensch und Künstler das Höchste zu erreichen, was einem Staubgeborenem gesetzt sein kann. Aus einem Leben voll Sehnsucht, Schaffensdrang und deutschem Suchertum* nahm ihn ein früher Tod weg. Der Weltkrieg hatte ihn aus seinem Sinnen und Träumen herausgerissen und ihn in die große Armee gezwungen, die um Deutschlands Sein kämpfen und - so es sein musste - sterben wollte.

  Es gehört unmittelbar zur Vollendung des Ritterschen Lebens- und Charakterbildes, zu wissen. wie er starb. Die kriegerische Forderung des Vaterlandes war an seiner nicht allzu festen Gesundheit bisher vorüber gegangen. Da ließ er sich als Kraftwagenführer ausbilden, um so freiwillig der hohen Pflicht des Augenblicks zu genügen, und als das versagte, meldete er sich zum freiwilligen Krankenpfleger. Über seinen Tod berichtet der Brief eines Freundes: Am 6. August (1915) ist Ritter in Grubeschow (Polen) mit andern Freiwilligen vorgetreten, um im Seuchenlazarett Dienst zu tun. (Schon vorher war Ritter zur Beobachtungsstelle für Choleraverdächtige befohlen.) Nach der ersten Nachtwache vom 6. bis zum 7. August fühlte Ritter sich nicht wohl, und bald zeigten sich Anzeichen der Cholera. Trotz liebevoller Pflege durch seine Kameraden führte die Krankheit nach acht Tagen den Tod herbei. Am 16. August, abends 6 Uhr, trug man seine Hülle auf den Kriegsfriedhof in G. Seinen Hügel deckt ein schwarzes Kreuz.

  Der Opfergedanke des vollen Lebens- und Persönlichkeitseinsatzes für das, was man als groß und gut erkannt hat, bestimmte den Tod dieses bergischen Künstlers, wie er sein Leben bestimmt hatte. Denn wenn man seine Briefe aus der Zeit seines künstlerische Werdens und Ringens durchliest, das zugleich Ringen um sein Menschentum war, so findet man bestätigt, was das Vermächtnis seiner künstlerischen Arbeit an seine bergische Heimat als bestimmend herausstellt: „Unbeugsamer Wille und stärkstes Verantwortungsgefühl treiben seine Entwicklung vorwärts, einem geahnten Ziele zu, das er zuweilen in seiner Vollkommenheit innerlich geschaut als aus dem Gegenwärtigen seiner Zeit hinüberragend in das ewig Werdende der Volkheit“**.

  Wenn man Ritters große Kompositionen sieht oder wenn man sein Selbstbildnis betrachtet, so könnte man wohl meinen, dass eine gewisse Weltmüdigkeit ihm die Flucht in jene Phantasiegefilde angeraten habe, die in seinen Bildern dargestellt werden und die ihren stärksten Ausdruck wohl in dem großen Gemälde, „D u  b i s t  O r p l i  d ,  m e i n  L a n d  ! “ zu haben scheinen. Aber Ritter liebte da Leben, wie es jeder Künstler liebt, der die Kraft in sich fühlt, es schöpferisch zu gestalten. Was er zuletzt in unablässigem Ringen und trotz aller sich wiederholenden künstlerischen Niederlagen erstrebte, war die Auflösung der Spannungen in einer paradiesischen Zeitlosigkeit, in einem wundervoll an Gott-Natur hingegeben Spiel des Menschen. Sein großer Heimatgenosse Hans von Mareés war sein Vorbild geworden. Noch in der Heimat, hatte er den „Deutsch-Römer“ nicht verstanden. Erst später, als er künstlerisch sehen und empfinden gelernt, ahnt er, wohin die große Kunst Mareés zielt. „Elberfeld“, so ungefähr schreibt er in einem Briefe aus den Münchner Tagen, „kann stolz darauf sein,  Mareés hervorgebracht zu haben“. Er schreibt es zu einer Zeit, da ein Elberfelder Schriftsteller in einem Aufsatz über Malerei folgendes Urteil fällt, ohne dass ihm widersprochen wird: „Ein schon längst begrabener, kürzlich aber von einigen sonderbaren Schwärmern wieder ausgegrabener (es ist auf die Elberfelder Mareés- Austellung 1904 angespielt), als ein Wunder gepriesener und künstlich belebter Maler ist der schon angeführte Hans von Mareés.“ „Besonders interessiert“,  heißt es in einem Briefe Ritters, „haben mich die Handzeichnungen von Mareés, weil ich immer mehr eindringe in den Fluss der Linien in seinen Kompositionen, was bei Mareés oft sehr fein ist.“ es war das faustische Streben in ihm, die letzte formale Geschlossenheit zu finden, deren Notwendigkeit er für die Bändigung seines stark romantischen Talentes er als dringend empfand. Wegweisend ist ihm dabei auch die starke Kunst der alten Griechen, die er leidenschaftlich liebt. „Ich sehe nicht das Malerische, sondern das Architektonische in Form und Farbe. Dabei habe ich viel mehr Interesse für die griechischen Vasenmalereien als für das Licht- und Luftmalen der Modernen.“ Er findet auf diesem Wege die Bändigung seiner weit schweifenden Phantasie, die sich von Hunderten von Bildern bedrängt fühlt, die „alle gemalt sein wollen.“

  So geht sein künstlerischer Werdegang, nach dem er die künstlerische Forderung erkannt hat, den vorgezeichneten Weg. Aus der Schule Max Bernuths in Elberfeld begibt sich der 1881 Geborene nach Karlsruhe, wo er bei Schmidt- Reutte, später in München bei Stuck, die Unzulänglichkeit seiner bisherigen Darstellungsmittel erkennt, aber zugleich auch den letzten Ernst in sich erweckt, der notwendig ist, wenn er keiner Selbsttäuschung verfallen will. Aber er darf auch den Menschen keine Enttäuschung bereiten, die ihm wohl wollen und die ihm das Studium draußen ermöglichen. Denn der Museumsverein Elberfeld hat ihm durch Vermittlung von Professor Fries ein Stipendium gewährt, das ihm den Weg zum Erfolg ebenen soll. Ritter ist sich des Enderfolges bewusst, er glaubt an seine Sendung in der Kunst: „Ich fühle, dass ich noch einmal etwas schaffen werde, das Wert hat.“ Streng sucht er den Weg zu seinem Ziel, und sein Studium sichtet hart zwischen dem was ihn fördert und dem, was ihn aufhalten könnte. Er liebt Thoma, besucht Steinhausen in Frankfurt und beobachtet ihn beim Radieren. Cranach und Holbein geben ihm viel, bis er endlich zu Mareés kommt. Mit strengster Selbstkritik geht er gegen sich selbst vor. Sein Schaffen wird zu einem Ringen, das hin und her schwankt zwischen Verzweiflung und hohem Finderglück. Und doch weht über das Werk Ritters eine Tragik des Unerreichten. Aus seinem Schaffen und Kämpfen riss ihn der frühe Tod. So vollendet wie Bau und Haltung seiner Bilder oft anmuten, dem tiefer Schauenden künden sie die Schönheit des Unvollendeten, die ewige Sehnsucht und die Ahnung, die der Schöpfer dieser Werke empfand, dass er nur die ersten Stufen des Tempels betreten sollte, den andere nach ihm errichten würden. „Was zurück blieb“, sagte Dr. Fries in seinem Nachruf, „sind kostbare Ansätze zu höchsten Äußerungen, sind Einblicke in eine fast überreif gestaltende Phantasie, in ein tiefes   und unablässig tätiges Geistesleben, getragen von hoher und edler Gesinnung.“ auch Italien, das Sehnsuchtsland aller Maler, dessen frühe Kraft er leidenschaftlich umfasste in mehrjährigem Studium, konnte ihm die letzte Offenbarung nicht geben. Als wertvollste Erkenntnis brachte er von allem Streifen durch die Welt das Wissen in die Heimat mit, dass die ständige Naturnähe notwendig ist, um alle Kraft gesund zu erhalten: „Ich muss aufs Land, um in aller Stille Auge in Auge mit der Natur zu leben. Denn wer die Jahrhunderte mit ihren besten Werken vor sich ausgebreitet sieht und sie anschaut wie einer, der auch etwas schaffen will, der wird ganz klein.“ Es ist die Erkenntnis des deutschen Malers Dürer, wenn er in seinem Tagebuch schreibt: „Ich meine, ich müsste das, was mir vorschwebt aus der Natur selbständig herausfinden und nicht durch irgendeine Manier übernehmen und damit die Natur anzuschauen.“

  So rundet sich der Lebens- und Schaffensdrang dieses bergischen Malers und Menschen unvollendet doch zu einer gewissen Vollendung. Und wer bei der Betrachtung der Ritterschen Werke von den heimatlichen Bildern Elberfelds, in denen das andere Gesicht der Ritterschen Kunst im romantischen Spiel sich offenbart, zu den strengeren Äußerungen seiner Kunst kommt, der wird hier spüren, wie hinter der Gehaltenheit von Form und Farbe das starke Gefühl Erlebnis wird  als Sehnsucht zum Unwirklichen und bluthaft Erahnten***, und man wird lächelnd den Vorwurf zurückweisen, der vor diesen Bildern oft laut wird, dass das alles nur mit dem spielenden Verstande gemacht sei. Ein Hauch Hölderlinschen Geistes weht aus diesen Werken des früh Vollendeten.    

                                                                      C. R. Sch.

                                                                                                    

Anmerkungen von Christoph Klipstein

*

Dass ein Goethesches, Faustisches Suchen nach dem Ewigen und Wahren, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ als „deutsches“ Suchen bezeichnet wurde, kann als Zugeständnis an den damaligen Zeitungeist verstanden werden

**

Wenn hier „das ewig Werdende“, ein Goethescher Begriff, mit dem Begriff „Volkheit“ kombiniert wird, wird sowohl das Werk Goethes als auch das Werk Rudolf Ritters verfälscht:

  Das künstlerische Schaffen erwächst aus dem individuellen geistigem Bemühen der menschlichen Persönlichkeit, nicht aus der Vererbung und den Genen seiner Physis (wie ein gegenwärtig verbreiteter Zeit-Ungeist vermeint) und schon gar nicht aus einem Kollektiv einer rassisch verstandenen „Volkheit“.

   Auch hier wird das Zugeständnis an die herrschende „Lehre“ der Zeit deutlich.

***

In diesem Satz führt die Schieflage der durch die Ideologie des Nationalsozialismus eingefärbten Begriffe zur gravierendsten Verfälschung des Ritterschen Werkes:

  Als tief  christlicher, suchender Mensch hatte er sein Sinnen, Trachten und Denken durch die  Perspektive der Anthroposophie  Rudolf Steiners vertieft. „Sehnsucht zum Unwirklichen“ ist in dieser Perspektive des schaffenden Geistes, Sehnsucht zum Noch- nicht- Verwirklichten. - Keinesfalls ging es um etwas „bluthaft Erahntes“.

 Worum es Rudolf Ritter ging, wenn von einer „Sehnsucht zum Erahnten“ gesprochen werden darf, hat er beispielsweise in einem Gemälde von 1912 ausgedrückt: Lebende Menschen schlafen noch auf den Treppenstufen, aufwachende, versterbende Menschen  legen ihre Gewänder ab (symbolisch für das Verlassen des physischen Leibes) und schreiten aufrechten Ganges mit neuem Gewand durch ein steinernes, dunkles Tor dem Licht entgegen, so wie es in vielen Varianten in Nahtodeserlebnissen unserer Zeit geschildert wird. Über dem ganzen steht eine Zeile aus den Mysteriendramen Rudolf Steiners“:

„Des Lichtes wechselnd Weben es erstrahlet von Mensch zu Mensch zu füllen die Welt mit Wahrheit.“

Trotz solcher, das Rittersche Werk verzerrender Schieflagen, zeugt der Bericht C. R. Sch.‘s von großer Kenntnis dieses Werkes und hoher „Verehrung des Meisters“.

Ob der Verfasser vom Ungeist der Zeit angekränkelt, diese verfälschenden nationalsozialistischen „Einfärbungen“ aus Überzeugung formuliert hat oder aus Anpassung, damit ein solcher Artikel überhaupt gedruckt werden durfte, konnte nicht eruiert werden.

 

6. Posthume Ausstellungen

vermutlich Herbst 1915
Gedächtnisausstellung
Kaiser Wilhelm Museum, Elberfeld

Juli 1936
Austellung Ritterscher Werke
Museum Elberfeld

Februar 2012
Erstaustellung Rudolf Ritter
Pauluskirche, Wangen, Allgäu